Beiträge
zur Heimatkunde der Stadt Schwelm und ihrer Umgebung, Neue Folge, 54 (2005):
7-26, Abb. 1-12, Tab. 1; Schwelm.
Lutz Koch
Das Gebirge in Rheinland-Westphalen und die Entstehung der
Erde
Werke von Johann Jakob Nöggerath1
im Stadtarchiv Schwelm
Im
Stadtarchiv Schwelm werden fünf Bände des Bonner Geologen Johann Jakob
Nöggerath (1788-1877) aufbewahrt:
Das Gebirge in Rheinland-Westphalen nach mineralogischem and chemischem Bezuge
(4 Bände; Bonn bei Eduard Weber 1822-1826). 2
Erster Band, VIII + 370 Seiten, mit sieben illuminirten
Steintafeln; 1822.
Zweiter Band, X + 387 Seiten, mit fünf illuminirten und zwei schwarzen
Steintafeln; 1823.
Dritter Band, VIII + 288 Seiten, mit drei illuminirten und zwei schwarzen Stein-
und einer Kupfertafel; 1824.
Vierter Band, VIII + 390 Seiten, mit zwei großen illuminirten Steintafeln;
1826.
Die Entstehung und Ausbildung der Erde vorzüglich durch Beispiele aus
Rheinland-Westphalen erläutert,
VIII
+ 297 Seiten; Stuttgart, E. Schweizerbartsche
Verlagshandlung
und Druckerei 1847. 3
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Bergrat, Geologe, Mineraloge, Seismologe
Johann Jakob Nöggerath wurde am 10. Oktober
1788 in Bonn geboren; sein Vater betätigte sich als Mineralienhändler und
betrieb eine Alaunhütte. Nöggeraths Schulzeit fiel in die Jahre napoleonischer
Herrschaft; so besuchte er die École centrale in Köln, aber nie eine
Universität. Seine geologisch-mineralogischen Studien betrieb er autodidaktisch
mit Hilfe einiger Förderer, von denen insbesondere der Kunstsammler und
Naturforscher Baron Hüpsch sowie der Arzt und Mineraloge Karl Wilhelm Nose zu
nennen sind, die auch größere Fossilien- und Mineralien-Kollektionen besaßen
und geologische Forschungen in der Eifel bzw. im Siebengebirge betrieben.
Noch zur napoleonischen Zeit wurde Nöggerath
zunächst Bergkommissar in französischem Dienst, dann ab 1814 Königlich
Preußischer Geheimer Bergrat. Nach Promotion in Marburg 1818 erhielt er im
gleichen Jahr die Berufung zum apl. und 1821 zum ordentlichen Professor für
Mineralogie und Bergwerkswissenschaften an der 1818 neugegründeten Universität
Bonn. Gemeinsam mit Georg August Goldfuß, Professor für Zoologie und
Mineralogie, wurde er Leiter des dortigen Naturwissenschaftlichen Museums.
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Abb. 1:
Johann Jakob
Nöggerath.
Stich
von Christian Hohe, 1835
(Stadtarchiv Bonn).
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Nöggerath war zu seiner Zeit durch sein Wissen, seine
Vielseitigkeit und seine Ausstrahlung eine überragende Gestalt. Er betätigte
sich auf zahlreichen Gebieten der Geologie, Mineralogie, Petrographie und
Seismologie und hinterließ zahlreiche Publikationen. Neben den oben genannten
sind u.a. folgende Abhandlungen zu erwähnen:
- Über aufrecht im Gebirgsgestein eingeschlossene fossile Baumstämme und
andere
Vegetabilien (1819-1821).
- Der Laacher See und seine vulkanischen Umgebungen (1870).
Zudem verfasste er mit großem Erfolg
bergrechtliche Texte und zahlreiche kleinere geologische Beiträge, die z.T.
auch in der Kölner Zeitung und in Westermanns Monatsheften erschienen; darüber
hinaus lieferte er einige Artikel zur Karst- und Höhlenbildung sowie über
eiszeitliche Großsäugerfunde. Zwischen 1828 und 1870 publizierte er eine
Anzahl seismologische Abhandlungen. Als besonders bemerkenswert gilt hierbei die
Arbeit über das Erdbeben im Rheinland im Jahre 1846. Noch im Alter von 82
Jahren schrieb er seine letzte Abhandlung zu diesem Thema. Bei seinen Arbeiten
folgte er insgesamt den Ansichten A. von Humboldts, für den der Vulkanismus die
einzig denkbare Ursache für Erdbeben war.
Der Einfluss des wohl bekanntesten Zoologen, Anatomen und Geologen der damaligen
Zeit, Georges Frederic Baron de Cuvier (1769-1832) schlug sich u. a. in der
Übersetzung und Kommentierung des folgenden Werks nieder:
Die Umwälzungen der Erdrinde in naturwissenschaftlicher und geschichtlicher
Beziehung vom Baron G. Cuvier. Nach der fünften Original-Ausgabe übersetzt und
mit besonderen Ausführungen und Beilagen begleitet von Dr. J. Nöggerath, Bd.
1-2; Bonn bei Eduard Weber. 1830.
Goethe kannte die dritte Originalausgabe
des Cuvierschen Buchs und lobte sie 1826 als ein Werk, das „den gegenwärtigen
Zustand der Geologie auf das klarste darstellt".4
Nöggerath besuchte Goethe am 19./20. Oktober 1828 in Weimar, worüber J. P.
Eckermann berichtet:
Oberbergrat Noeggerath aus Bonn,
von dem Verein der Naturforscher zurückkehrend, war heute an Goethes Tisch ein
sehr willkommener Gast. Über Mineralogie ward viel verhandelt; der werte Fremde
gab besonders gründlich Auskunft über die mineralogischen Vorkommen und
Verhältnisse in der Nähe von Bonn.5
Die Übersetzung der fünften Ausgabe
durch Nöggerath entlieh Goethe laut Weimarer Bibliothekseintrag in der Zeit vom
19. Februar bis 17. Oktober 1831.6 Welchen Eindruck Nöggerath bei
Goethe hinterlassen hat, zeigt, daß er ihm als Vierundsiebzigjähriger
bestellen lässt:
Wie gern durchzög' ich die Eifel mit ihm zu
klarem Schauen dessen, was immer noch als Problem vor mir steht! Warum bin ich
nicht mehr so leicht auf den Füßen als zur Zeit, wo ich die unnützen Reisen
in die Schweiz tat, da man glaubte, es sei was Großes getan, wenn man Berge
erklettert und angestaunt hätte! 7
Nöggerath hat als Stadtverordneter gewirkt,
war im Landtag tätig und Mitglied bei zahlreichen Akademien sowie „gelehrten
Gesellschaften". Seinem Wirken in der Öffentlichkeit ist es zu verdanken,
dass die Bergspitze des Drachenfels 1829 nicht durch einen Steinbruchbetrieb
vernichtet wurde.
In der Paläobotanik wurden ihm zu Ehren im Rahmen von Erstbeschreibungen und
bei der Errichtung neuer Taxa (neue Gattungen, Arten u.a.) mehrere fossile
Pflanzen aus dem Oberkarbon und Perm nach ihm benannt.8 Am
bekanntesten ist die vom böhmischen Grafen Sternberg aufgestellte
Pflanzengattung Noeggerathia, die seinen Namen auch international wach
hält. Zudem erhielt ein Mondkrater durch den Astronomen Johann Friedrich Julius
Schmidt im Jahre 1878 die Bezeichnung „Nöggerath". 9
Nöggerath starb am 13. September 1877 in seiner Heimatstadt Bonn. Dort
sind sichtbare Erinnerungszeichen an ihn ein eindrucksvolles Grabmal auf dem
Alten Friedhof sowie die seit 1935 nach ihm benannte Noeggerathstraße, in der
er allerdings nicht gewohnt hat; er lebte mit seiner zweiten Frau und seinen 19!
Kindern aus beiden Ehen in der Remigiusstraße. Ausführliche Darstellungen
seines Lebens und Werkes geben H. v. Dechen (1877) nach seinem Tode und W.
Langer (1977) anlässlich seines 100. Todestages.
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Abb. 2: Rekonstruktion der nach Johann
Jakob Nöggerath
benannten fossilen
Pflanze der Gattung Noeggerathia mit
zugehörigem Zapfen Noeggerathiostrobus aus dem
europäischen Oberkarbon (aus: Zimmermann 195911). |
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Abb. 3:
Der Südwesten des Mondes mit dem Krater
Nöggerath
in der Bildmitte (s. Pfeil). (Foto: A. Cidadão).
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Das erste Werk
Das Gebirge in Rheinland-Westphalen
Nöggerath hatte
große Erfolge mit der Herausgabe bergrechtlicher Texte. In gleicher Weise
versuchte er ab 1822, mit dem Titel „Das Gebirge in Rheinland-Westphalen, nach
mineralogischem and chemischem Bezuge", geologisch-mineralogische Texte in
Form einer Folge herauszugeben. Im Vorwort zu Band 1 heißt es:
Findet die Sache Beifall und erlauben es die
Umstände, so wird jährlich ein Band erscheinen, dem vorliegenden in Form,
Umfang u.s.w. gleich. Vorhanden ist bereits reiches Material zur Fortsetzung,
welches für jetzt zurückgelegt werden musste, um diesen Band nicht zu stark
werden zu lassen. 12
Jedoch wurde die
Serie nach Erscheinen von vier Bänden (1822, 1823, 1824, 1826) eingestellt. Die
meisten Beiträge stammen von Bergbeamten; einige der Autoren haben aufgrund
ihrer Tätigkeit im allgemeinen einen großen Bekanntheitsgrad erlangt: u.a.
Leopold von Buch, der die Biostratigraphie in die Geologie einführte und den
Begriff des „Leitfossils" prägte, Heinrich von Dechen, Direktor des
Bergamtes Bonn und Verfasser grundlegender geologischer Darstellungen und
Karten, Friedrich von Hövel, Politiker und hoher preußischer
Verwaltungsbeamter mit geologischem Sachverstand.
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Abb. 4:
Titelblatt des ersten Bandes von
„Das
Gebirge in Rheinland-Westphalen" (1822). |
Für die Geschichte der rheinischen und
westfälischen Geologie sind viele der in den Bänden enthaltenen Aufsätze von
Bedeutung. Hervorzuheben sind auch die beigegebenen geologischen Karten, die
wirklich benutzbar waren, ebenso die Idealschnitte mit den
Lagerungsverhältnissen der Gesteinsschichten. Diese sehr anschaulichen
Darstellungen, wenn auch von den neueren Erkenntnissen längst überholt, sind
schöne Beispiele didaktischer Aufbereitung früherer geologischer
Forschungsdaten.
Nöggerath verfasste als Herausgeber selbst
eine Reihe von Beiträgen, auch schrieb er Anmerkungen und Ergänzungen zu
verschiedenen Aufsätzen anderer Autoren. Einer der Artikel Nöggeraths, eine
Abhandlung über eine besondere Ausprägung des Basalts vom Rückersberg bei
Oberkassel im Siebengebirge,13 fand Aufnahme in die
Literaturgeschichte: Goethe, der selbst geologisch-mineralogische Studien trieb
(s.o.), war von diesem Beitrag sehr beeindruckt und schrieb eine Kommentierung
des Textes,14 die mit folgenden Worten beginnt:
Diese Beschreibung eines merkwürdigen Steinbruchs, der das Innere einer
beziehungsvollen Basaltbildung hineinrücken lässt, hat so viel Anziehendes, dass wir größtenteils den eigenen Worten des anschauungs- und
erwägungsreichen Verfassers aus dem neuesten Bande seines lehrreichen Werkes
ausziehen und hier mitteilen wollen.
Insgesamt werden in den Bänden Themen zu
allen damals aktuellen geologischen Forschungsbereichen abgehandelt;
berücksichtigte geographische Regionen sind u.a. das nördliche Sauerland und
Bergische Land bis zum Ruhrgebiet, Münsterland, Siegerland, Siebengebirge,
Niederrhein, Aachener Steinkohlengebiet, Eifel, Hunsrück und Bergstraße sowie
das Saarland.
Im folgenden sollen einige Kapitel näher
betrachtet werden, in denen sich die Autoren mit dem nordwestlichen Sauerland
und nördlichen Bergischen Land beschäftigen und die geologischen Verhältnisse
u.a. im Schwelmer Umland beschreiben.
Das Liegende des Steinkohlen-Gebirges im
Ennepethale von Vörde an bis zum Nirgena
Bereits der erste Beitrag in Band 1 hat die
geologischen Erscheinungen unseres Gebietes zum Gegenstand. Auch gehört zu
diesem Aufsatz die Tafel I, ein zart kolorierter Steindruck, der einen Schnitt
durch das Gebirge von Schwelm im Süden bis Bochum im Norden und die Lagerung
der Tonschiefer-, Grauwacke- und Kalksteinschichten zeigt.
Abb. 5: „Gebirgs-Durchschnitt durch das obere Ennepethal über den Nirgena und
Herbede bis in die
Gegend von Bochum" (aus Nöggerath: „Das Gebirge in Rheinland-
Westphalen",
Band. I, Tafel I, 1822).
Der Beitrag stammt von einem
namentlich nicht genannten Verfasser, den Nöggerath in seiner Anmerkung15 „einen
wackern jungen Geognosten16 und
Bergmann" nennt, dessen Aufsatz um so vollkommener sei, da er durch den „bewährtesten
Kenner des Märkischen Gebirges," Friedrich von Hövel, durch erläuternde
Bemerkungen ergänzt werde. Diese insgesamt fünf längeren Anmerkungen
v.Hövels werden wiederum ergänzt durch Erläuterungen von Nöggerath sowie
durch mehrere „Beilagen", die v.Hövel bereits in der Zeitschrift „Hermann"
veröffentlicht hatte.17 So nehmen von den insgesamt 50 Seiten des Beitrages die
Anmerkungen, Ergänzungen und Beilagen mehr als 35 Seiten ein.
Zu Beginn seines Aufsatzes
beschreibt der anonyme Autor den geologischen Landschaftsbau zwischen Voerde,
Milspe, Gevelsberg und Schwelm, der geprägt ist durch die Abfolge von Sätteln
und Mulden. Bei der Darstellung der geologischen Struktur beweist er
ausgezeichnete Ortskenntnis.
Um einen Eindruck zu vermitteln, nachfolgend einige Textauszüge, die das „Grauwackengebirge"
und das „Kalkstein-und Tonschiefergebirge" betreffen:18
(Zum Gebiet Voerde –
Milspe)
Die Bildung sich immer wiederholender Mulden
und Sättel, bei flacher oder stehender Lage der Schichten ... liegt jedem vor
Augen in dem Ennepethale von Vörde an bis zum Nirgena, wo es seinen nördlichen
Lauf nach Osten wendend, dem Hauptstreichen des Gebirges folgt. ...
Die Gebirgsart, welche sich durch weitere Verbreiterung gegen Süden als die
liegendste der ganzen Gegend erweist, ist der Grauwackenschiefer. Er ist
deutlich geschichtet, und die Schichten können an den natürlichen und
künstlichen Entblösungen, welches das Thal der Ennepe darbietet, gut
beobachtet werden.
Oberhalb dem Dorfe Vörde, welches ¼ Stunde östlich vom Thale entfernt liegt,
zeigen sich die Lagerungsverhältnisse, welche der ganzen Gegend im Großen
angehören, auf eine recht deutliche Art im Kleinen.. In einer bedeutenden
Erstreckung zeigen die Schichten ein nördliches Einfallen bei einem Fallwinkel
von 40 bis 60 Graden, doch auf einer Stelle legen sie sich flach, fangen bald
an, sich nach Norden zu heben und wieder zu senken, indem sie so einige kleine
flache Mulden und Sättel bilden.
....
Unterhalb Vörde bildet das Grauwackengebirge eine so tiefe Mulde, dass sich das
erste Glied des darauf folgenden Kalk- und Thonschiefergebirges darin
eingelagert hat. Diese Muldenparthie, durch mehrere kleinere Sättel
unterbrochen, zieht sich bei einer flachen Lage, bis etwas unterhalb der Milspe,
wo die vereinigte Heilenbeck und Rahlenbeck sich in die Ennepe ergießen. Hier
hebt sich das Grauwackengebirge wieder zu Tage aus und tritt nun zum letzten
Male als Sattelgebirge gegen Norden hin wieder auf. ... Dieser Sattel ... bildet
einen großen Teil des Gebirges, welches sich südlich der Ennepe vom Nirgena
aus gegen Osten hin, nach Hagen zieht; er bildet den Gebirgsrücken, der sich
nördlich von Gevelsberg und Schwelm unter dem Namen des Strückler- und
Lindenbergs nach Westen streckt.
....
Mannichfaltiger ist die Zusammensetzung des Kalkstein- und Thonschiefergebirges,
worin ein rascher Wechsel von Bildungen liegt. .... Dieser Kalkstein ist es,
welcher jene vorher beschriebene Mulde ausfüllt; doch ganz in derselben Art
findet er sich weiter gegen Norden auf demselben Gebirge aufliegend. In der
Mulde sind zwei Höhlen in diesem Kalkgebirge, die große Clutert auf der
östlichen, die kleine auf der westlichen Seite der Ennepe. Jene besteht aus
vielen durchschneidenden Räumen, die ganz ein spaltenähnliches Ansehen haben.
Die inneren Wände sind größtentheils mit Kalksinter überzogen; die
Ausdehnung der Räume in die Breite und in die Höhe ist sehr abwechselnd; die
Sohle besteht durchgängig aus gelblichröthlichen Letten, der alle Spalten bis
zu einem gewissen Niveau ausfüllt. Die kleine Clutert ist jetzt nicht
befahrbar.
Bemerkenswert ist die
Nennung der „Kleinen Clutert" auf der westlichen Seite der Ennepe, womit
nur die heutige Rentropshöhle gemeint sein kann, die aber erst um 1930 von W.
Griepenburg erforscht und beschrieben sowie nach dem Eigentümer Rentrop benannt
wurde. Somit wird bei Nöggerath der erste Hinweis auf diese Höhle gegeben.19
(Zum Gebiet Schwelm –
Linderhausen)
Dass aber auch in dem mehr nach Norden
liegenden Flügel dieses Lagers Höhlen vorkommen, davon zeugen die Erdfälle im
westlichen Theile des Linderhauser Thales, nördlich von Schwelm, auf dem
Streichen dieses Kalksteins. Derselbe ist so zerklüftet, dass er die
Grundwasser bis auf die nächste Bachsohle fallen lässt, während sie in seinem
Liegenden, dem Grauwackenschiefer, zu einem weit höheren Niveau angespannt
sind.
Auch hier werden die
Besonderheiten der Linderhauser Kalkmulde richtig erkannt. Außer der später
entdeckten 263 m langen Erlenhöhle gelten als besonders auffallend die z.T.
sehr großen Erdfälle und zahlreichen Bachschwinden.
Liest man die detaillierte
Landschaftsbeschreibung des Verfassers aber in Ihrer Gesamtheit, so wird klar,
dass die Kenntnisse über die Tektonik dieses Raumes zu Beginn des 19.
Jahrhunderts noch recht gering sind und beherrscht werden von der Vorstellung,
dass Faltungsphänomene primär morphologische Erscheinungen sind. So entsteht
beim Text der Eindruck, dass es sich bei beschriebener Muldenbildung z.T.
einfach nur um Täler handelt. Denn bekannt war ja zur Zeit Nöggeraths nicht
die Auffaltung zum variskischen Gebirge mit Großmulden und -Sätteln durch
Kollision von Kontinentalplatten, die Abtragung zum Rumpfgebirge und das
Entstehen der heutigen Berge und Täler durch Eintiefung der Flüsse.
Immerhin scheint dem
Verfasser die Problematik in gewisser Weise bewusst zu sein, wenn auch seine
Aussage unzutreffend ist:
Als ein noch nicht gelöstes Räthsel
scheint selbst noch jede wahrscheinlichste Vorstellungsart über die Entstehung
jener Lagerungsverhältnisse zu fehlen. Mag man sie gleichzeitig mit der Bildung
der Massen ansprechen, mag man sie für die Wirkung späterer Ereignisse halten,
immer werden sie das Gesetz verkünden: der Absatz der Gebirgsschichten erfolgte
senkrecht von oben nach unten, die allgemeine Schwere war wirkende Ursache zur
Bildung derselben.20
Heinrich von Dechens geologische Übersicht
Auch das erste Kapitel
des zweiten Bandes hat das nördliche Rechtsrheinische Schiefergebirge zum
Thema. Unter dem Titel „Geognostische Bemerkungen über den nördlichen Abfall
des Niederrheinisch-Westphälischen Gebirges" gibt Heinrich von Dechen21
eine ausführliche Darstellung (151 Seiten). Während der Aufsatz des anonymen
Autors in Band 1 lediglich einen kleinen Teil des Gebietes, die Grafschaft Mark,
beschreibt, dies aber z.T. in großer Ausführlichkeit (s.o.), gibt von Dechen
einen Überblick von Ratingen und Erkrath im Westen und bis in die Gegend von
Brilon und Wünnenberg im Osten. Nöggerath würdigt die Arbeit mit seiner
Anmerkung zu von Dechens Werk:22
Dieser gehaltreiche Aufsatz wird um so mehr unsern Lesern
willkommen seyn, da er eigentlich als eine fernere und umfassendere Ausführung
derjenigen Abhandlung zu betrachten ist, womit wir den 1ten Band des
gegenwärtiges Werkes eröffnet haben.
In seinen Betrachtungen folgt er dem „Oberflächen-Ansehen nach den
verschiedenen Gebirgsarten" von Süden nach Norden: Grauwackengebirge,
Übergangskalkstein, Kiesel- und Alaunschiefer und plattenförmiger Kalkstein,
flözleerer Sandstein und Steinkohlengebirge. Ausführlich beschreibt er die in
den „Gebirgsarten" enthaltenen Gesteine wie auch ihre lokale Verbreitung.
In diesem Zusammenhang werden auch wie in Band 1 zahlreiche Lokalitäten aus
Schwelm und Umgebung erwähnt (s.o.). Aufschlüsse und Lagerungsverhältnisse im
Grauwackengebirge werden beschrieben von Voerde, Milspe, Gevelsberg, der
Ennepestraße, der Schwelmer Höhe und Beyenburg. An Besonderheiten nennt von
Dechen die Eisensteingänge zwischen Voerde und Bilstein sowie das Vorkommen von
Schwerspat.23
In der Nähe von Alten Vörde kommt Schwerspath – weißer
geradschaliger – mit licht nelkenbraunem Hornstein vor; dieser letztere
enthält sehr fein aber häufig eingesprengten Kupferkies in Begleitung von
Eisenocker.
Zum Übergangskalkstein werden die Einlagerung des Kalksteins zwischen Barmen
und Hagen genannt sowie die Höhlen „kleine und die große Clutert".24 Nicht übersehen werden selbstverständlich die Schwelmer
Erzvorkommen, die unter der Überschrift „Alaunschiefer beim Schwelmer-Brunnen"
in einem eigenen Abschnitt erläutert werden.25
Im Rahmen der Beschreibung des Steinkohlengebirges nennt von Dechen im
Bereich der Ruhr u.a. die Orte Herzkamp, Herbede, Hattingen, Witten, Bommern,
Volmarstein und Wetter.
Die Beschreibung der Gebirgseinheiten von Süden nach Norden beinhaltet aber
nicht nur ihre geographische Position, sondern auch eine zeitliche Abfolge, eine
ungefähre Stratigraphie des Untersuchungsgebietes vom Unterdevon bis zum
Oberkarbon (s. Tab. 1).
"Oberflächen-Ansehen
nach den verschiedenen Gebirgsarten" im
Niederrheinisch-Westfälischen Gebirge
(nach von Dechen, 1823)
|
Entsprechungen
heutiger stratigraphischer Gliederung
des nördlichen Rechtsrheinischen Schiefergebirges |
Steinkohlengebirge |
Flözführendes
Oberkarbon
(Namur C bis Westfal C) |
Flözleerer Sandstein
|
Flözleeres
Oberkarbon
(Namur A bis B) |
Tonschiefer, Kieselschiefer, Alaunschiefer, plattenförmiger Kalkstein
|
Unterkarbon
(Kulm)
---------
Oberdevon |
Übergangskalkstein
|
Kalkige
Ausbildung
des Oberdevon und Unterkarbon
---------
Oberes Mitteldevon
- Massenkalk -
(Givet-Stufe) |
Grauwackenschiefer |
Unteres Mitteldevon (Eifel-Stufe)
Unterdevon (Ems-Stufe) |
Tab. 1: Gegenüberstellung der
geologischen Ergebnisse von Dechens mit einer vereinfachten stratigraphischen
Darstellung heutiger Zeit.
|
Bemerkenswert
sind in diesem Zusammenhang von Dechens Vermutungen zur Entstehung des
Kalksteins noch bevor die Untersuchungsergebnisse zu dieser Frage durch Darwin,
Murchison und Sedgwick vorlagen:26
Dieser Kalkstein trägt an
vielen Punkten das Gepräge eines Korallenriffs, dessen Erbauer an den Küsten
eines früheren Festlandes die Massen aufthürmten, welche als Felsen sich jetzt
noch zeigen. Diese Erscheinung, welche der Uebergangskalkstein auch an dem Saume
anderer Gebirge darbietet, lässt sich an vielen Punkten des hiesigen
Gebirgsabfalles speciell nachweisen.... Da wo die ganze Masse nur aus den resten
von Madreporen27 besteht, leidet
die Behauptung wohl keinen Zweifel; aber da, wo der Kalkstein unmittelbar
abgesetzt, und nicht durch einen animalischen Lebensprozeß hervorgegangen
erscheint, sind die schmalen Reihen der Riffe von Massen umgeben, die nur
einzelne Cochliten28 und Conchiten29
umschließen.
Von Dechen hat für
seinen Beitrag eine geologische Karte vorgelegt, die dem Band 2 als Tafel I beigefügt ist.
Abb. 6: Ausschnitt aus „Geognostische Charte des nördlichen Abfalls des
Niederrheinisch-Westphälischen Gebirges" von Heinrich von Dechen (aus
Nöggerath:
„Das
Gebirge in Rheinland-Westphalen", Band. II, Tafel I, 1823).
weiterer Kartenausschnitt >>
Diese Karte ist wohl die
älteste geologische Karte des genannten Gebietes und erstaunlich genau.
Erstmals wird der „Übergangskalk" als zusammenhängender Kalksteinzug
(heute als „Massenkalk" bezeichnet) kartiert, der im Westen bei Erkrath
beginnt und sich bis nach Brilon erstreckt. Ungenauigkeiten treten bei von
Dechen dort auf, wo ältere bzw. jüngere Kalksteinvorkommen als gleichartig mit
einbezogen oder Unterbrechungen nicht erkannt werden, wie z.B. die durch die
Ennepe-Störung hervorgerufene Unterdrückung zwischen Schwelm und Hagen. Daher
wird der Kalkzug über Milspe weiter verlaufend dargestellt und Schwelmer
Massenkalk und der Kalkstein der Honsel-Schichten, in dem sich die Kluterthöhle
befindet, gleichgestellt.
Eiszeitliche Säugetierknochen und ein Trilobiten-Fund
Da man an den Bergämtern, von
wo Nöggerath seine geologische Entwicklung genommen hatte, ganz im Sinne der
Methode von Abraham Gottlieb Werner30 und
ausschließlich nach petrographischen Merkmalen (nach Gesteinseinheiten)
kartierte, konnten viele Fragen noch nicht geklärt werden. Insbesondere
gehörte dazu das Problem gleichartig aussehender Gesteine, die aber aus
altersverschiedenen Schichten stammten. Zur Lösung dieses Problems kann nur die
Analyse des Fossilbestandes in diesen Gesteinen beitragen. So veranlasste z. B.
H. von Dechen 1841, daß zur Klärung solcher Fragen in der Eifel die
vorhandenen Fossilien bearbeitet wurden.
Die Lösung
stratigraphischer Fragen leistete erst die Biostratigraphie und
Leitfossilienkunde,31 die sich aber um
1820 nur in geringem Maße durchgesetzt hatte. So nimmt in den Bänden die
Erwähnung von Fossilfunden eine untergeordnete Rolle ein, wenn auch Nöggerath
nicht achtlos daran vorübergeht. So findet er es bedauerlich, wenn aufgefundene
Fossilien nicht bestimmt werden, da wichtige Aussagen über die Entstehung von
Gesteinsschichten nicht getroffen werden können:
Es ist schade, daß uns der Verfasser
keine nähere Bestimmung der im Steinkohlengebirge der Graffschaft Mark
vorkommenden Mollusciten gegeben hat, denn durch eine ganz genaue Untersuchung
solcher Versteinerungen kann es überhaupt nur allein entschieden werden, ob
blos Land- oder auch See-Gewässer bei der Bildung des ältern
Steinkohlengebirges concurrirt hat.32
Nöggerath hat Fossilien nie
selbst bearbeitet, doch berichtet er über eiszeitliche Großsäugerfunde in der
Sundwiger Höhle und Heinrichshöhle bei Hemer und referiert die Bestimmungen
Goldfuß’s, die auch heute insgesamt noch Gültigkeit haben.33 So
konnten neue Begehungen die beschriebene Lage der Knochenfundschicht
bestätigen. Bei Nöggerath heißt es: Die Mehrzahl der Knochen stammten von
einem „außerordentlich großen Höhlenbären (Ursus spelaeus)";
außerdem nennt er einen vollständigen Schädel einer „Höhlenhyäne (Hyaena
spelaea)", Reste des „Riesenhirsches (Cervus giganteus)"
und des „Edelhirsches der Vorzeit (Cervus Elaphus fossilis)" sowie
zwei Schädel des „Höhlenvielfraß (Gulo spelaeus)". Letztere
wurden kürzlich (2004) einer neuen Untersuchung unterzogen und mit Funden aus
anderen Höhlen und Rezentmaterial verglichen.34
Abb. 7: Skelett-Rekonstruktion eines eiszeitlichen Vielfraßes (Gulo gulo Linné
1758). Die in der Sundwiger Höhle und Heinrichshöhle nachgewiesenen Knochen
wurden
grau markiert
(aus Diedrich und Döppes 2004 35).
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Ein gewisses
Interesse scheint Nöggerath auch an Trilobiten gehabt zu haben: So wird
berichtet, dass er in Wetzlar 1870 einen Vortrag über die Organisation der
Trilobiten hält,36 und daher verwundert
es nicht, dass er in „Das Gebirge in Rheinland-Westphalen", Bd. 3 (1824),
S. 290-291, einen Beitrag aufnimmt, in dem ein Trilobit aus dem „Übergangskalk"
von Cromford beschrieben und abgebildet wird. Der Titel des Beitrages von
Friedrich Wilhelm Höninghaus lautet:
"Calymene macrophthalma von Cromford bei Ratingen im Herzogthum
Berg".
Er beschreibt seinen Trilobiten wie folgt (s. Abb. 8):
Die Oberfläche dieser Calymene
(Fig. 1) besteht aus drei halbzirkelförmigen Theilen, wovon der mittlere –
(c) das Schild – mit nicht sehr erhabenen Knöpfchen verschiedener Größe
besetzt ist.
Die netzförmigen Säckchen (a u. b) sind die Augen (wovon Fig. 3 eine
vergrößerte Abbildung), und liegen – durch eine undeutliche Leiste von dem
Schilde getrennt – etwas tifer und nach dem Unterleib hingewandt.
Der hintere Theil (d) (abdomen) ist noch mehr umgebogen, als die Zeichnung Fig.
1 darstellt, und deshalb ist unter Fig. 2 eine Ansicht von der Seite beigefügt
.37
Über den Fundort
seines Trilobiten berichtet er:
Die Gebirgsart ist
Uebergangs-Kalkstein – gelagert zwischen Grauwacke und flözleerem Sandstein.
Einzelne Teile von Trilobiten nebst mehreren Arten von Terebratula und Gryphaea
werden in den Steinbrüchen von Cromford in hartem schwarzen Kalkstein, in
weichem grauen Kalkstein und in Thonschiefer gefunden.38
Bei der späteren Bearbeitung
dieser Schichten erkannte Drevermann,39
daß es sich bei dem beschriebenen Trilobiten um eine neue Art handelt, ihr Name
lautet heute: Omegops accipitrinus bergicus (Drevermann 1902).40 Die
Fundschichten gehören ins oberste Oberdevon.
8 9
|
Abb. 8:
Darstellung des Trilobiten „Calymene macrophthalma" von
Cromford bei Ratingen, aus: „Das Gebirge in Rheinland-Westphalen", Bd.
III, Tafel VI (1824).
Abb. 9: Der gleiche Trilobit wie in Abb. 8 führt heute die Bezeichnung Omegops
accipitrinus bergicus (Drevermann 1902), oben: Aufsicht des Kopfschildes, unten: Seitenansicht (aus: Brauckmann 199441).
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10 11
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Trilobit Omegops accipitrinus aus dem höchsten Oberdevon von Velbert.
Abb. 10: Thorax (Rumpfschild) mit Pygidium (Schwanzschild), Länge: 25 mm.
Abb. 11: Cephalon (Kopfschild), Breite: 12 mm.
(Sammlung und Fotos: U. Lemke).
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Das zweite Werk
Die Entstehung und Ausbildung der Erde
Dieses Buch besitzt
keinen Originaleinband mehr, sondern wurde nachträglich neu gebunden und
enthält neben den Nöggerath’schen Texten zwei Streitschriften von Rudolph
Wagner (1854)42 und Carl Vogt (1855)43,
in denen es im weitesten Sinne um den Konflikt Theologie und Naturwissenschaften
geht. Ein unmittelbarer Zusammenhang zu Nöggerath besteht nicht; eine gewisse
Absicht des ehemaligen Buchbesitzers (A. Vogel44)
dürfte es aber sicher gegeben haben, die drei Schriften durch den Buchbinder in
einem Band zu vereinigen. Letzteres mag insbesondere im einleitenden Beitrag
Nöggeraths begründet sein. Dieser nennt sich „Ueberblick. Eine
Vorlesung", die Nöggerath, so erfährt man im Vorwort von ihm, im Jahre
1842 „vor einem sehr grossen gebildeten Publikum, aus Männern und Frauen
bestehend",45 gehalten worden sei.
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Abb. 12: Titelblatt
des Bandes „
Die Entstehung und Ausbildung der Erde" (1847). |
In diesem seinem „Überblick"
gibt er in Grundzügen seine Vorstellung von der Entstehung der Erde wieder,
zwar die Selbständigkeit der Wissenschaft Geologie betonend, sich aber doch am
biblischen Schöpfungsbericht orientierend. Anstelle der Schöpfungstage werden
große Zeiträume angenommen, in denen sich die Veränderungen und Entwicklungen
der Erde vollzogen. Dabei baut Nöggerath sein geologisches Wissen in dieses
Gerüst ein. Offenkundige Fehlinterpretationen zeigen sich bei der Deutung
einzelner geologischer Phänomene. Grauwacke und Tonschiefer werden nicht als
Sedimentgesteine, Kalkstein nicht als fossile Riffbildung46
gedeutet, die Bildung der Steinkohle, in Grundzügen richtig erkannt und als „nachweisbar
pflanzlichen Ursprungs ... und „als Vestigien einer untergegangenen tropischen
Vegetation"47 festgestellt, wird in
einer sehr frühen Periode der Weltentstehung angesiedelt, soll sich aber vor
nur neun Millionen Jahren ereignet haben: 48
In die Epoche der
Steinkohlen-Bildung mag vielleicht die Periode fallen, wo die Atmosphäre,
besonders auch durch den reichlichen Verbrauch an Kohlensäure zum
Pflanzenwachsthum, schon so verdünnt war, dass nicht blos Licht auf der Erde
war, sondern dass selbst schon die Sonne, der Mond und die Gestirne zu
unterscheiden wären; jene Epoche des vierten Tages bei Moses: „Und seyn
Lichter an der Veste des Himmels, das sie scheinen auf Erden. Und Gott machte
zwei grosse Lichter: ein grosses Licht, das den Tag regiere, und ein kleines
Licht, das die Nacht regiere, dazu auch die Sterne."49
Aber auch schon vorhandene
Theorien, die durch Lamarcks50 Abstammungslehre
eingeführt waren, finden in seiner Vorlesung keine Berücksichtigung. Vielmehr
orientiert er sich an de Cuvier, der an der Konstanz der durch Schöpfung
entstandenen Arten festhält. Fossilien, die für die Reste ausgestorbener Arten
gehalten werden, seien Opfer von Katastrophen, deren letzte sich vor ca. 5000
– 6000 Jahren ereignete (Biblische Sintflut). Nöggerath unterstützt diese
Ansicht und die damit verbundene Fehleinschätzung geologischer Zeiträume, wenn
er schreibt:
Der verdienstvolle
verewigte Cuvier, welcher die genauesten Untersuchungen über diese
Überfluthungen angestellt hat, und solche aus naturhistorischen Gründen nicht
über 5 bis 6000 Jahre hinter uns, sie also ziemlich gleichstellt mit der
Sündfluth der Bibel, da deren Texte im Datum dieses Ereignisses nicht ganz
übereinstimmen, sagt über das Nichtvorhandenseyn der Menschenknochen in seinem
von mir übersetzten Werke: „Ich will daraus nicht folgern, dass vor dieser
Epoche die Menschen noch gar nicht vorhanden gewesen seyen. Sie können einige
beschränkte Gegenden bewohnt haben, von wo aus sie die Erde nach jenen
furchtbaren Ereignissen wieder bevölkerten. Vielleicht wurden auch ihre
Wohnsitze ganz in Abgründe versenkt und ihre Knochen auf dem Boden der heutigen
Meere verschüttet, mit Ausnahme der kleinen Anzahl von Individuen, welche unser
Geschlecht fortgepflanzt haben." Cuvier meint damit den Vater Noah und
seine Familie und ähnliche Stammväter, welche wir bei den meisten alten
Völkern finden und selbst darunter einige der Zeit-Angabe nach in ungefährer
Uebereinstimmung mit den biblischen Texten.51
Bei der Beschäftigung mit
Nöggeraths Vorlesung muss man sich immer vor Augen halten, dass sie vor über
150 Jahren gehalten wurde. Doch eine Wissenschaft entwickelt sich weiter. Die
heutigen Geologen sind sicher nicht gescheiter, höchstens kenntnisreicher. Wenn
aber trotz fortschreitenden Wissens, trotz Lamarck und Darwin, trotz der
Evolutionsbiologie auch heute die Evolutionstheorie keine allgemein anerkannte
Selbstverständlichkeit ist, so gewinnt die Vorlesung Nöggeraths vor der in den
letzten Jahren auflebenden Diskussion um Evolution oder Kreation eine gewisse
Bedeutung. Denn Kreationismus52
(incl. der Variante Intelligent-Design-Kreationismus) und andere
Pseudowissenschaften sind nach USA auch in Deutschland stark auf dem Vormarsch,
und man fühlt sich dadurch z.T. in die Anfänge des 19. Jahrhunderts zu
Nöggeraths „Entstehung der Erde" versetzt.
Gesammelte populäre Flugblätter
Während es sich beim ersten Kapitel des Buches um
grundlegende Aussagen in Form einer Vorlesung handelt, haben die folgenden
Abhandlungen unterschiedliche Themen zum Inhalt und dienen u.a. dazu, die Thesen
der Vorlesung durch praktische Beispiele zu untermauern.
„Die Aufsätze bilden eine
Auswahl aus denjenigen, welche ich seit etwa fünf Jahren über geologische
Verhältnisse in populärem Sinne für Zeitblätter, namentlich für das
Feuilleton der Kölnischen Zeitung, geschrieben habe. Es sind aber recht
eigentlich gesammelte Flugblätter, welche hier meist mit wesentlichen
Verbesserungen und Ergänzungen erscheinen. Die Aufsätze wurden ursprünglich
grösstenteils auf Anregungen der Zeit und persönlicher Verhältnisse des
Verfassers geschrieben, als gehaltene Vorlesungen, als Berichte von Reisen, als
Erläuterungen zu neuen geologischen Ereignissen, u. dgl. ... Dadurch ist es
auch zu erklären, dass die Arbeiten Manches enthalten, welches strenge genommen
nicht zur Geologie gehört, wie Schilderungen von Naturschönheiten, Allgemeines
aus der bergmännischen Technik u.s.w."53
Betrachtet man die Inhalte der
Aufsätze, so beziehen sich diese keineswegs nur entsprechend dem Untertitel des
Kompendiums auf „Beispiele aus Rheinland-Westphalen", sondern auf ganz
Deutschland – von Berchtesgaden und dem Königssee sowie den Salzbergwerken
von Hallein im Süden bis zum Niederrhein und Holland im Norden, vom Petersberg
bei Maastricht und dem Laacher See im Westen bis zu den Salzbergwerken von
Wieliczka im Karpatenvorland im Osten. Dazwischen liegen Reiseziele wie
Idar-Oberstein, die Siegburger Berge, der Roderberg bei Rolandseck, die
unterirdischen Steinbrüche bei Mayen, die Höhlen im Sauerland und Bergischen
Land und die oberschlesischen Steinkohlengruben.
Zum großen Teil sind die
Artikel wie Reiseberichte geschrieben, leicht zu lesen, doch informativ und
abwechslungsreich: Die Schwerpunkte sind geographisch-geologisch, versehen mit
historischen und kulturhistorischen Aspekten, eingestreuten Erzählungen von
Begebenheiten und Ereignissen, Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen,
Wissenswertes über Lagerstätten und Erze, zudem Hinweise auf bedeutende
Fossilfunde und Arbeiten zeitgenössischer Naturwissenschaftler wie A. von
Humboldt, de Cuvier, Goldfuß, L. von Buch, von Dechen u.a.
Vier der Beiträge sind jedoch
nicht primär lokal ausgerichtet, vielmehr stehen Erklärungsversuche und
Erläuterungen zu gewissen Naturphänomenen im Mittelpunkt: Ein Beitrag über
astronomische Ereignisse, einer über Erdbeben, einer über Erdrutsche und
andere Erscheinungen der Erdoberfläche, zudem ein Aufsatz über „Das Alter
der Bäume".
Die Höhlen
"im rheinisch-westphälischen Gebirge"
Der einzige Artikel, der sich
konkret auf Rheinland und Westfalen bezieht und somit auch den
bergisch-sauerländischen Raum zum Gegenstand hat, ist die Studie über die
Knochenfunde in rheinisch-westfälischen Höhlen.54
Der Aufsatz, nicht als
Reisebericht verfaßt, zeigt Nöggeraths intensive Beschäftigung mit diesem
Thema. Seine Betrachtungen beginnen mit der Erwähnung berühmter Höhlen wie
der Baumannshöhle im Harz u.a. bis hin zu den weniger bekannten Höhlen im
rheinisch-westfälischen Gebirge. Daß er Höhlen aus eigener Anschauung kennt,
zeigt die anschauliche Beschreibung von Höhlenformen, Gangverläufen und
Tropfsteinbildungen.
Zur Höhlenentstehung erkennt
er mehrere zeitlich weit auseinanderliegende Epochen:55
- Die Bildung des
Kalksteins im Meer
- Die Hebung der
Kalksteinbildungen, verbunden mit Entstehung von Spalten und
Rissen
- Erweiterung der
Spalten durch strömendes Wasser in Form von Auflösungen und
Auswaschungen
- Eintreten von
Flutmassen und Vernichtung großer Tiere, die in den Höhlen ihre
Wohnplätze
genommen hatten
- Ablagerung von Lehm
und Bildung von Tropfstein, wodurch die Tierknochen
eingehüllt werden
- Wohnplätze von
Menschen
Fest steht für
Nöggerath,
daß die Tiere, deren Überreste man in Höhlen fand, zeitlich nicht mit
Menschen zusammen lebten, und er zitiert einen „sehr verdienstvollen
Naturforscher", der „mit Recht" sagt:
Der Mensch, die Krone der
Schöpfung auf unserer Erde, war das späteste ihrer Werke. Ihm gingen die
Uebertreibungen der Vorwelt voraus, bis sich die Misstöne der Bildungen in der
Harmonie seiner Gestalt auflösten.56
Nach den allgemeinen
Erläuterungen wendet er sich dem „rheinisch-westphälischen Zuge des
Kalksteingebirges" zu:
... welches nördlich von
Elberfeld und Barmen vorbeizieht, sich in der Nähe der letzten Stadt in zwei
Arme theilt, von denen der südlichere, über Schwelm fortstreichende sich erst
bei Hagen wieder mit dem nördlichen verbindet. Er überschreitet bei Limburg
die Lenne, erreicht Iserlohn, zeigt sich schon aufgeschlossen im Hönnethal bei
Balve ...
57
In diesem Zusammenhang werden neuere geologische
Forschungsergebnisse seiner Zeit berücksichtigt; denn er führt neuere
Ergebnisse der geologischen Forschung an, die in seiner Vorlesung (s.o.) noch
unerwähnt bleiben:
Dieser Kalksteinzug ist
zuerst von dem Herrn Berghauptmann von Dechen auf geognostischen Karten
aufgetragen worden und gehört zu derjenigen Kalksteinformation, welche die
Geognosie58
mit dem Namen des devonischen Systems belegt.59
Bei der sich anschließenden
Erwähnung der zahlreichen Höhlen des Nordsauerlandes stehen die im
Vordergrund, in denen Knochenfunde gemacht werden konnten, doch auch die
Kluterthöhle wird nicht vernachlässigt:
Die grössern und bekannten sind die kleine und grosse Klutert
[und] die Höhle in der Haspe zwischen Schwelm
und Hagen ...60
Nach Aufzählung weiterer
Höhlen im Balver Raum heißt es:
Vielleicht die grösste
derselben ist die in zahlreichen Gängen verzweigte grosse Klutert bei
Altenförde, in welcher aber bis jetzt keine urweltlichen Knochen gefunden
worden sind.61
Nöggerath berichtet dann
ausführlich über die zahlreichen Tierknochenfunde, die zu der damaligen Zeit
insbesondere aus der Grürmannshöhle, der Balver Höhle, der Heinrichshöhle
und den Höhlen von Rösenbeck und Sundwig stammen. In letzteren hatte Nöggerath selbst
gegraben und zunächst unbestimmte Knochen geborgen, die dann später von seinem
Kollegen Goldfuß bestimmt wurden.62 Die Ergebnisse werden in „Das
Gebirge in Rheinland-Westphalen", Bd. 2 und 3 dargestellt und konnten
kürzlich (2004) bestätigt werden (s.o).63
Der Artikel über die Höhlen des Sauerlandes wird beendet mit einem Vergleich einzelner Tierarten aus Höhlenfunden mit heute noch
lebenden. Hierbei bezieht er sich auf die vergleichende Anatomie Cuviers, der
bereits 1806 die ersten Höhlenbären und „Höhlenhyänen" aus
Deutschland beschrieben hatte.64
Nöggerath, ein populärer Wissenschaftler
Man muss sich vor Augen
führen, daß um 1820 das Wissen gerade über die Geologie des
Rheinisch-Westfälischen Raumes sehr gering war. Schaut man in die Schriften
jener Zeit, so findet man die Allgemeine Geologie noch nicht fest umrissen. Im
Vordergrunde standen der Neptunismus Abraham Gottlob Werners65 einerseits
sowie der Vulkanismus Leopold von Buchs andererseits; von ihm als der
gewaltigsten Kraftäußerung der Erde erwartete man die tiefsten Einsichten in
das Innere und die Vergangenheit unseres Planeten. Gemäß der Auffassung A. v.
Humboldts, der den Vulkanismus als 'die Reaktion des flüssigen Erdinnern gegen
die feste Erdkruste' definierte, führte man auch die Erdbeben auf das
Wirken vulkanischer Kräfte zurück.
Auch die Kenntnis des
tektonischen Baus der Erdkruste war noch verhältnismäßig gering. Allzu sehr
begriff man die äußere Gestalt der Gebirge als das Abbild ihres inneren
Gefüges. Damit ging naturgemäß eine Unterschätzung der äußeren Kräfte und
der äußeren Formung einher. Ebenso waren die Fundamente in der historischen
Geologie nicht gesichert. Die Folge der Formationen stand noch nicht fest. Die
Fossilien waren in ihrer Bedeutung als stratigraphische Zeitmarken und als
Belege für die organische Entwicklung noch nicht anerkannt.
Erst in jener Zeit begann die Gliederung des Devon und Karbon. An diesen
international wichtigen Forschungen, die größtenteils von den britischen
Inseln ausgingen, hatte Nöggerath keinen Anteil. Und mit der Verarbeitung
dieser neuesten Forschungen ließ er sich Zeit.
Von besonderer Bedeutung aber ist seine
populärwissenschaftliche Tätigkeit, wobei er davon profitierte, dass die
Öffentlichkeit der damaligen Zeit eine überaus positive Einstellung gegenüber
den Geowissenschaften besaß. Stets hatte er zahlreiche Zuhörer bei seinen
anschaulichen und lebendigen Vorträgen. Bei einer Exkursion, die größtenteils
aus Laien bestand, führte er eine Gruppe mit über 300 Personen. Zu erklären
ist dies, da die Inhalte der Geologie als sehr spannend empfunden wurden:
Vulkanausbrüche, Gebirgsbildungen, Überreste von Lebewesen vorzeitlicher
Welten und unterirdische Höhlen erfüllten die Menschen mit Interesse und
Schaudern.66
Einem
seiner „populären Flugblätter" stellt Nöggerath einen Ausspruch
Alexander von Humboldts als Motto voran67,
das für das gesamte Wirken Nöggeraths gilt:
|
Eine philosophische
Naturkunde strebt, sich über das
enge Bedürfnis einer blossen Naturbeschreibung zu
erheben. Sie besteht nicht in der sterilen Anhäufung
isolirter Tatsachen. Dem neugierig regsamen Geiste
des Menschen muss es erlaubt seyn, aus der Gegen-
wart in die Vorzeit hinüber zu schweifen, zu ahnen,
was noch nicht klar erkannt werden kann, und sich
an den alten, unter so vielen Formen immer wieder-
kehrenden Mythen der Geognosie zu ergötzen.
|
Anmerkungen:
1
Für „Nöggerath"
sind die Schreibweisen mit >ö< und mit >oe<
gebräuchlich. Im Taufeintrag vom 10.10.1788 (Register im
Stadtarchiv Bonn) und in der Brockhaus-Enzyklopädie, Bd. 15 steht die
Schreibweise mit >ö< ; Nöggerath selbst
unterschrieb mit >oe< (s. Abb.1). Da in den fünf in dieser Arbeit
betrachteten Bänden der Verfasser mit >ö< geschrieben
ist, wird auch hier so verfahren. Bei Zitaten wird die dort verwendete
Schreibweise beibehalten.
2 Die Bände stammen aus altem Bestand des
Märkischen Gymnasiums Schwelm, mit Stempel „Höhere Bürgerschule
Schwelm", Signatur X66a-d.
3 StA Schwelm, Signatur 592-17.5.
4 Bode,
Wilhelm: Goethes Lebenskunst, 8. Aufl., Berlin 1922, S. 250.
5 Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe, 20.10.1828, zit.
nach Schwarzbach, Martin: Auf den Spuren unserer
Naturforscher. Denkmäler und Gedenktafeln. Ein Reiseführer; Stuttgart 1981, S.
61.
6 Bode, W.,
a.a.O.
7 ebd.
8 Noeggerathiophyta Zimmermann 1959, eine
Abteilung der farnlaubigen Planzen (Pteridophyllen); Noeggerathia
Sternberg 1821, eine Gattung dieser Gruppe und Noeggerathiostrobus
Feistmantel 1871, die dazu gehörende
zapfenartige Fruktifikation; Trigonocarpus noeggerathi (Sternberg)
Brongniart 1874, eine andere Fruktifikation der
Farnblättrigen; Noeggerathiopsis Feistmantel 1879, eine Gattung von
Cordaiten ähnlichen Pflanzen.
Während die ersten vier Namen für Pflanzen bzw. Pflanzengruppen aus dem
europäischen Oberkarbon stehen, wurde
Noeggerathiopsis aus dem Perm der Gondwana-Flora Indiens aufgestellt.
9 Ein Krater
im Südwesten des Mondes (Durchmesser 30 km, Tiefe 1,5 km) wurde von dem
Astronomen Johann Friedrich
Julius Schmidt (1825-1884) im Jahre 1878 auf der von ihm erstellten Mondkarte
mit dem Namen „Nöggerath"
bezeichnet. Schmidt trieb als Leiter der Sternwarte von Athen meteorologische
und seismologische Studien und orientierte
sich an Ergebnissen der Nöggerath’schen Arbeit über das Erdbeben im
Rheinland von 1846. Im Jahre 1935 wurde von der
IAU (International Astronomical Union) der Name übernommen.
10 von Dechen, Heinrich: Zum Andenken an Johann
Jacob Nöggerath. Vortrag, gehalten am 1. October 1877 in der Herbst-
Versammlung des Naturhistorischen Vereins. – in: Verhandlungen des
Naturhistorischen Vereins der Rheinlande und
Westfalens, 34, Bonn 1877, S. 79-97.
Langer, Wolfhart: Johann Jakob Noeggerath. Leben und Werk. Zur Erinnerung
an seinen 100. Todestag. – in: Bonner
Geschichtsblätter, 30, 1978, S. 95-111 (Gehalten als Vortrag am 28.10.1977 im
Geol.-Paläont. Institut Bonn).
11 Zimmermann, W.: Die Phylogenie der Pflanzen;
Stuttgart 1959, S. 245.
12 Nöggerath: Das
Gebirge in Rheinland-Westphalen, Bd. 1, Vorwort S. VIII.
13 Nöggerath: Die Basaltsteinbrüche am Rückersberge bei Oberkassel
am Rhein. – in: ders.: Das Gebirge in Rheinland-
Westphalen, Bd. 2, S. 250-261.
14 Goethe, Johann Wolfgang von: Schriften zur
Naturwissenschaft, Erste Abteilung: Texte, Band 2, Schriften zur Mineralogie
und Geologie 1812 – 1842; Weimar 1947, S. 259-267. – Nachdruck in: Beiträge
zur Geschichte von Oberkassel und
seiner Umgebung, 9 (1994), S. 20-29.
15 Nöggerath: Das Gebirge in Rheinland-Westphalen,
Bd. 1, S. 1.
16 Geognost = Geologe. Geognosie: früher verwendete
Bezeichnung für den heutigen Begriff Geologie (eingeführt von
Abraham Gottlieb Werner 1780, s. Anm. 30).
17 "Hermann, Zeitschrift von und für
Westfalen", 54. Stück und 100. Stück (1817), 25. Stück (1818) und 52.
Stück (1816).
18 Anonymus: Bemerkungen über das Liegende des
Steinkohlengebirges. – in: Nöggerath: Das Gebirge in Rheinland-
Westphalen, Bd. 1, S. 2-10.
19 Die „kleine Clutert" (heute:
Rentropshöhle) wird beschrieben in Griepenburg, Wiard: Kluterthöhle, Bismarck-
und
Rentropshöhle bei Milspe und ihre Tierwelt. – in: Abhandlungen des
Westfälischen Provinzial-Museums für Naturkunde,
5, Münster 1935. – Vgl. auch: Bender, Hartmut und Kliebhan, Bernhard:
Zur Geschichte und Erforschung der Höhlen im
Ennepetal – in: Beiträge zur Heimatkunde der Stadt Schwelm und ihrer
Umgebung, N.F., 27; Schwelm 1977. –
Die genannte „Höhle in der Haspe", eine weitere seinerzeit ebenfalls
bekannte Höhle mit der Bezeichnung „Klutert"
befindet sich in Haspe (Kückelhausen). – Vgl. Holthaus, Peter Heinrich: Die
Kückelhauser Klutert. – in: Westphälischer
Anzeiger, Nr. 74 (13.9.1805).
20 Anonymus, a.a.O., S. 2.
21 Heinrich von Dechen (1800-1889), Oberbergamtsdirektor in Bonn,
ab 1834 Professor an der Bergakademie Berlin,
veröffentlichte grundlegende Schriften und Karten zur Geologie der Rheinlande
und Westfalens. Nach ihm wurde die
Dechenhöhle und die Zeitschrift Decheniana benannt.
22 von Dechen: Geognostische
Bemerkungen .... – in: Nöggerath: Das Gebirge in Rheinland-Westphalen, Bd. 2,
S. 1.
23 von Dechen: Geognostische Bemerkungen
...., S. 19.
24 s. Anm. 19.
25 von Dechen: Geognostische Bemerkungen ...., S. 55.
26 Darwin verfasste in den Jahren 1837 und 1839
seine Abhandlungen über die Entstehung der Koralleninseln im
Pazifischen Ozean. Im Jahre 1844 übertrugen Sedgwick und Murchison die
Ergebnisse ihrer Forschungen an fossilen
Riffen auf den Britischen Inseln und der Insel Gotland auf fossile Riffbildungen
im Rheinischen Schiefergebirge.
27, 28, 29 Früher gebräuchliche Bezeichnungen: Madreporen
= Korallen, Cochliten = Schnecken, Conchiten
= Muscheln.
30 Abraham Gottlob Werner (1749-1817) war Lehrer an
der Bergakademie in Freiberg in Sachsen und der bedeutendste
Verfechter der neptunistischen Theorie während der letzten beiden Jahrzehnte
des 18. Jahrhunderts und der Zeit bis zu
seinem Tod im Jahr 1817. Werner war nicht, wie gesagt wird, der Begründer des
Neptunismus, sondern der Vollender einer
Naturansicht, die im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts von Naturforschern
entwickelt wurde, die die Wirkungen von
Wasser und Wind auf der heutigen Erdoberfläche beobachteten und die meisten
Gesteine als "Sedimente", d.h. als
Ablagerungen aus Gewässern, vornehmlich aus einem Ozean erklärten, der in der
ältesten Vorzeit die ganze Erdoberfläche
bedeckte und sich seitdem zurückzog, allmählich die Festländer mit ihren
Gebirgen freigebend. Die übereinanderliegenden
Gesteinsschichten, welche die Forscher in verschiedenen Gegenden Italiens,
Frankreichs und Deutschlands beobachteten,
beschrieben sie als Dokumente aufeinander folgender Erdzeitalter und die in den
Gesteinen enthaltenen Versteinerungen
als Zeugen vergangener Lebenswelten. Das Erdinnere hielten die meisten für
einen soliden Untergrund, der für das
geologische Geschehen ohne Bedeutung war.
Werner übernahm die „neptunistisch" genannten Vorstellungen dieser
Naturforscher in besonders radikaler Weise. Er
erklärte nahezu alle Gesteine, auch die kristallinen wie Granit sowie den
Basalt als Ablagerungen aus dem Wasser und
erkannte als geologisch wirksame Faktoren nur an der Erdoberfläche wirkende
Kräfte und Vorgänge an, so dass er z. B.
meinte, dass Erzgänge von oben her mit Verwitterungsmaterial gefüllte Spalten
seien. Vulkanische Erscheinungen führte
Werner auf oberflächennahe Kohlenbrände zurück.
Humboldt studierte bei Werner wie auch der in dieser Arbeit erwähnte Friedrich
von Hövel; Goethe war einer seiner
größten Anhänger so wie Leopold von Buch, der Begründer des Vulkanismus,
sein größter Widersacher war. (s. auch:
Engelhardt, Wolf von: Goethe und Alexander von Humboldt – Bau und Geschichte
der Erde, in: Humboldt im Netz (HiN)
II, 3, 2001, Universität Potsdam.
31 Leitfossilien sind Fossilien, anhand
derer man die relative Altersbestimmung verschiedener Gesteinsschichten
vornehmen
kann. Findet man das gleiche Leitfossil in Sedimentgesteinen von verschiedenen
Orten der Erde, so sind die Gesteine
annähernd gleich alt. Diese Art der Altersbestimmung wird Biostratigraphie
genannt.
Als Begründer der Biostratigraphie gilt der englische Landvermesser William
Smith (1769-1839), dem um 1800 bei
Kanalbauarbeiten auffiel, daß in verschiedenen Gesteinsschichten verschiedene
Fossilien vorkommen. Bis 1815 erstellte
er eine geologische Landkarte von England und Wales aufgrund von Leitfossilien
in verschiedenen Schichten. Darauf
aufbauend, konnten Leopold von Buch und andere das Leitfossilprinzip
formulieren.
32 Nöggerath: Das Gebirge in Rheinland-Westphalen, Bd.
1, S. 13.
33 Nöggerath: Das Gebirge in Rheinland-Westphalen, Bd. 2,
S. 28-29; Bd. 3, S. 15-16.
34 Diedrich, Cajus und Döppes, Doris:
Oberpleistozäne Vielfraßreste (Gulu
gulo Linné) aus dem Perick-Höhlensystem im
Sauerland (NW Deutschland). – in: Philippia, 11(4); Kassel 2004, S.
335.
Zur Erläuterung: Die Sundwiger Höhle und die Heinrichshöhle wurden als
zusammenhängendes Höhlensystem erkannt,
das Perick-Höhlensystem (Weber, H.-W.: Höhlenkataster Westfalen 1987 – in:
Der Antiberg, 31/32; Hemer 1989).
35 Diedrich, Cajus und Döppes, Doris, a.a.O.,
S. 338, Abb.2.
36 von Dechen, Heinrich: Zum Andenken an
Johann Jacob Nöggerath, a.a.O., S. 82.
37 Höninghaus, Friedrich Wilhelm. – in:
Nöggerath: Das Gebirge in Rheinland-Westphalen, Bd. 3, S. 291.
38 Höninghaus, a.a.O., S. 290.
39 Drevermann, Fritz: Über eine Vertretung der
Étroeungt-Stufe auf der rechten Rheinseite. – in: Zeitschrift der deutschen
geologischen Gesellschaft, 54, S. 487-490, Taf. 14, Fig. 1-4.
40 Brauckmann, Carsten: Oberdevon und
Unterkarbon von Ratingen. – in: Weidert, W. (Hg.): Klassische Fundstellen der
Paläontologie, 2; Korb 1990, S. 51.
41 Brauckmann, Carsten: Trilobiten aus dem
oberen Ober-Devon und Unter-Karbon im Velberter Sattel. – in: Archäologie im
Ruhrgebiet, 2; Gelsenkirchen 1994, S. 25, Abb. 4.
42 Wagner, Rudolph: Ueber Wissen und Glauben mit
besonderer Beziehung zur Zukunft der Seelen; Göttingen 1854.
43 Vogt, Carl: Köhlerglaube und Wissenschaft.
Eine Streitschrift gegen Hofrath Rudolph Wagner in Göttingen; Gießen 1855.
44 Schriftzug auf dem Deckblatt
des Bandes. Es handelt sich um den Apotheker August Vogel (1815-1856) in Schwelm
(frdl. Mitteilung von G. Helbeck).
45 Nöggerath: Die Entstehung
und Ausbildung der Erde; Vorwort, S. VII.
46 Nöggerath hielt seine Vorlesung im Jahre 1842.
Gerade in diese Zeit fällt die Erkenntnis, dass es sich bei den
umfangreichen Kalksteinvorkommen in Europa um die Reste fossiler Riffe handelt.
Darwin verfasste bereits in den Jahren
1837 und 1839 seine Abhandlungen über die Entstehung der Koralleninseln im
Pazifischen Ozean. Aber erst 1844
übertrugen Sedgwick und Murchison die Ergebnisse ihrer Forschungen an fossilen
Riffen auf den Britischen Inseln und
der Insel Gotland auf Riffbildungen im Rheinischen Schiefergebirge. Als
Nöggeraths Band „Die Entstehung der Erde"
erschien (1847), waren jedoch diese Ergebnisse bereits veröffentlicht.
Diesbezügliche Vermutungen stellte aber schon von
Dechen 1823 an (vgl. S. xx).
47 Nöggerath, Die Entstehung und Ausbildung
der Erde, S. 12.
48 Die Steinkohle entstand vor ca. 300 Mill.
Jahren.
49 Nöggerath, Die Entstehung und Ausbildung der Erde,
S. 12-13.
50 Jean-Baptiste de Lamarck (1744-1829) war
nicht nur einer der bedeutendsten Biologen des 19. Jahrhunderts, er prägte
auch den Begriff Biologie. Besonders bekannt wurde seine Evolutionstheorie, mit
der er die Konstanz der Arten negierte
und ihre Entwicklung auf Anpassung zurückführte. Zwar hat sich diese Theorie
als falsch erwiesen und wurde von der
Evolutionstheorie von Charles Darwin ersetzt, war aber ein bedeutender
Durchbruch des Evolutionismus.
51 Nöggerath, Die Entstehung und Ausbildung der Erde, S.
18.
52 Kreationismus (von lat. creare
= erschaffen) bezeichnet ein religiöses Weltbild, in dem die Entstehung des
Universums als
Schöpfungswerk eines Gottes erklärt wird. Kreationismus ist somit eine
besondere Ausprägung des Schöpfungsglaubens,
wie er in verschiedenen Religionen vorkommt und bei Naturvölkern in vielen
Varianten verbreitet ist. Spezifische Eigenart
des Kreationismus gegenüber anderen Ausprägungen des Schöpfungsglaubens ist,
dass er eine evolutionäre Entwicklung
des Universums und des Lebens nach der Entstehung entweder ganz ablehnt oder
nicht davon ausgeht, dass ein solcher
Prozess zwingende Folge naturwissenschaftlicher Gesetze ist (nach: http://www.wikipedia.org).
Die Kreationismus-Bewegung findet auch in Europa und Deutschland zunehmende
Verbreitung. Ausgewiesene Intelligent-
Design-Anhänger sitzen in Max-Planck- und Universitätsinstituten, eine
Kreationistin bestimmt über die Auswahl
geowissenschaftlicher Fachliteratur an der Deutschen Bibliothek in Frankfurt,
ein Intelligent-Design-Buch aus einem
Lehrmittelverlag wurde mit einem Schulbuchpreis ausgezeichnet. (nach:
Leinfelder, Reinhold – in: Geowissenschaftliche
Mitteilungen Gmit 21/2005).
In der New York Times hatte kürzlich der in der katholischen Kirche
einflussreiche Kardinal Schönborn (Wien) Theorien,
die die Idee eines "Designs" im Sinne eines göttlichen Plans für das
Leben "wegerklären" wollten, als "Ideologie"
kritisiert, was heftige ablehnende Reaktionen von Wissenschaftern in den USA und
Österreich auslöste.
In diesem Zusammenhang sieht der Vorstand des Instituts für
Fundamentaltheologie und Dogmatik an der Katholisch-
theologischen Privatuniversität Linz, Franz Gruber, keine Vorboten für einen
verschärften, rückwärts gewandten
Kirchenkurs: "Kardinal Schönborn und Papst Benedikt XVI. sind klug genug
zu wissen, dass wir die Heilige Schrift in
Fragen der Schöpfung nicht wörtlich als naturwissenschaftlichen Bericht
verstehen dürfen. Wenn das so wäre, würden wir
hundert Jahre zurückfallen. In der Theologie weiß man heute, der Begriff
Schöpfung ist eine Sinnaussage für das
Verhältnis Gott - Welt, und keine Erklärung. Erklären tun wir die
Weltentstehung durch Naturwissenschaft und
Evolution." (aus: http://www.derStandard.at/wissenschaft).
53 Nöggerath, Die Entstehung und Ausbildung der Erde; Vorwort.
54 Ein weiterer Beitrag von Nöggerath zu dieser Thematik
erschien später: Nöggerath: Das Neander-Thal. – in: Kölnische
Zeitung, Nr. 276, 28. Okt., Köln 1852. – Nachdruck in: Schürmann, Manfred:
Bergrat Noeggerath und das Neandertal. –
in: Niederbergische Geschichte, I: 74-85; Erkrath 1994.
55 Nöggerath, Die Entstehung und Ausbildung der Erde; S. 216
ff..
56 Nöggerath, Die Entstehung und Ausbildung der Erde; S. 218.
57 ebd.
58 s. Anm. 16.
59 Nöggerath, Die Entstehung und Ausbildung der Erde, S.
219.
60 s. Anm. 19.
61 Nöggerath, Die Entstehung und Ausbildung der Erde, S. 219.
62 Nöggerath: Das Gebirge in Rheinland-Westphalen, Bd. 2, S. 28-29 und
Bd. 3, S. 13-16.
63 Diedrich, Cajus und Döppes, Doris, a.a.O.
64 Cuvier, G.L.C.F.D. Baron de: Sur les ossements du genre de l’ours,
qui se trouvent en grande quantité dans certaines
cavernes d’Allemagne et de Hongarie. – Annales du Musée histoire naturelle,
8 ; Paris 1806, S. 325.
65 s. Anm. 30.
66 vgl. Langer, W., a.a.O., S. 107.
67 Nöggerath, Die Entstehung und Ausbildung der Erde, S.
116.
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