Lutz Koch: Oberdevon und Kulm in der Umgebung 
                  von Hagen und Iserlohn

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Im Raum Wuppertal, zwischen Hagen und Letmathe und weiter über Iserlohn und Hemer in östlicher Richtung schließt sich im Norden an den langgestreckten rheinisch-westfälischen Massenkalkzug ein relativ schmales Band oberdevonischer und unterkarbonischer Ablagerungen an.

Nachdem am Ende des Oberen Mitteldevon (Givet-Stufe) der Höhepunkt des Riffwachstums überschritten war, reichten nur noch einzelne Riffbildungen bis ins Oberdevon. Das verstärkte Absinken des Meeresbodens konnte durch die Riffbildner nicht mehr kompensiert werden: Die Riffe "ertranken", und es bildeten sich Becken und Schwellen mit unterschiedlicher Sedimentation.

Der Gegensatz zwischen Becken- und Schwellenfazies wird nördlich von Wuppertal im Niederbergischen deutlich durch die Verzahnung beider Bereiche: In der Schwellenfazies zeigen sich vornehmlich kalkige Ablagerungen, in der Beckenfazies finden sich hauptsächlich schiefrig-tonige Sedimente.

Demgegenüber repräsentieren oberdevonische und unterkarbonische Ablagerungen östlich von Hagen ausschließlich Sedimente der Beckenfazies: "Pharciceras"-Schiefer (nach der leitenden Goniatiten-Gattung Pharciceras) des untersten Oberdevon sind bei Hagen-Halden (Donnerkuhle) aufgeschlossen; sog. Cypridinen-Schiefer (nach den namengebenden Ostrakoden "Cypridinen") aus dem Oberdevon II (Nehden-Stufe) sowie Kalkknoten-Schiefer des Oberdevon III und IV (Hemberg-Stufe) stehen bei Letmathe im ehemaligen Steinbruch der Ziegelei Nie an. Aufschlüsse im höchsten Oberdevon in der Umgebung von Iserlohn finden sich zudem im Hasselbachtal, bei Oese und bei Apricke.


Goniatit 
"Pharciceras" sp.,
kleiner eingerollter Kopffüßer
Oberdevon I (Adorf-Stufe).
Fundort: Hagen-Halden
Sammlung: L. Koch

Muschel 

Guerichia venusta
(Münster),
Oberdevon II (Nehden-Stufe).
Fundort: Letmathe (Ziegelei Nie)
Sammlung: L. Koch

Trilobit 
Trimerocephalus mastophthalmus (Reinh.Richter),
Oberdevon II (Nehden-Stufe).
Fundort: Letmathe (Ziegelei Nie)
Sammlung: L. Koch

Im Gegensatz zu den unterkarbonischen Schichten der Schwellenfazies, die als "Kohlenkalk" bezeichnet werden, werden die tonigen Ablagerungen der Beckenfazies des Unterkarbon auch "Kulm" genannt.

Kulm-Schiefer (Kulm III) waren lange Zeit gut aufgeschlossen bei Grürmannsheide. Die geborgene Fauna besteht aus Muscheln, Hyolithen, Cephalopoden, Brachiopoden, Trilobiten, Seelilien und Resten von Fischen. Der untere Bereich der Schiefer von Grürmannsheide ist etwa altersgleich mit den Schiefern von Aprath (nordwestlich von Wuppertal). Aufgrund ihrer langen Erforschungsgeschichte (seit 1857) und ihres Fossilreichtums (über 200 Arten) gelten die Aufschlüsse bei Aprath als "Klassische Fundstellen" (siehe Bibliographie). Zudem wurden im Jahre 1987 beim Bau der Bundessstraße 224n die Schichten erneut und besonders gut aufgeschlossen, was zu Sammlungsaktivitäten und neuen wissenschaftlichen Ergebnissen führte.


Muschel 
Posidonia becheri Bronn,
Kulm III (Aprathium).
Fundort: Grürmannsheide
Sammlung: L. Koch


Brachiopode (Armfüßer) 
Chonetipustula sp
.
Kulm III (Aprathium).
Fundort: Grürmannsheide
Sammlung: U. Lemke


Goniatit
Entogonites grimmeri
(Kittl),
eingerollter Kopffüßer;
Kulm III (Aprathium).
Fundort: Grürmannsheide
Sammlung: U. Lemke


Trilobit 

Archegonus (Phillibole) culmicus

(Richter & Richter),
Kulm III (Aprathium).
Fundort: Aprath (Bergisches Land)
Sammlung: L. Koch

Großen Raum bei der wissenschaftlichen Bearbeitung des Oberdevon nehmen die Event-Forschung, sowie stratigraphische Untersuchungen an der Devon-Karbon-Grenze ein.

Zwei Bio-Events haben große Bedeutung, auch für die Oberdevon- und Unterkarbon-Fauna im nördlichen Sauerland, da sie im Bereich verschiedener Tiergruppen zum Aussterben zahlreicher Gattungen und damit zu einem Faunenschnitt führten. Dies sind der "Kellwasser-Event" an der Grenze zwischen Frasnium (Unteres Oberdevon) und Famennium (Oberes Oberdevon) sowie die "Hangenberg-Krise" an der Devon-Karbon-Grenze (vor 358 Mill. Jahren).
Der Kellwaser-Event (benannt nach dem Kellwasser, einem Bach im Harz) war das drittgrößte Aussterbe-Ereignis im Verlauf der Erdgeschichte und ließ 60-70% aller marinen Lebewesen verlöschen. Durch extremen Meeresspiegelanstieg drückten sauerstoffarme bis -freie Wassermassen auf die Schelfbereiche und führten zum Absterben der Stromatoporen-Korallen-Riffe und ihrer Bewohner. Betroffen waren auch die auf Flachwasserbereiche spezialisierten Trilobiten und Cephalopoden, wie Untersuchungen aus dem Sauerland belegen (siehe Bibliographie).

Die Erforschung des Oberdevon und Unterkarbon ist eng verbunden mit der Grenzziehung zwischen Devon und Karbon. Diese stratigraphisch wichtige Devon-Karbon-Grenze verläuft im nordwestlichen Sauerland geographisch in Ost-West-Richtung, in geologischer Ausbildung bestehen jedoch große Unterschiede. Zwischen Hagen und Gevelsberg verläuft diese Grenze aufgrund einer Störung (Ennepe-Störung) mit einer Schichtlücke von ca. 5.000 m Sediment. Östlich von Hagen dagegen besteht die Möglichkeit, Aufschlüsse zu entdecken, welche die Grenze zwischen Oberdevon und Unterkarbon lückenlos zugänglich machen. Ein solches Profil findet sich auch im Hasselbachtal westlich von Letmathe und wurde von einer internationalen Forschergruppe untersucht (siehe Bibliographie).

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© Text und Fotos: Lutz Koch (letzte Aktualisierung: 17.05.2006)